ESM, Fiskalpakt und Begleitgesetzgebung durchgewunken

Am 12.09.2012  10.00 Uhr Verhandlung in Karlsruhe zu den Eilanträgen der anderen Klagerschaft im Bundesverfassungsgericht. Ich war, wie schon angekündigt als Zuschauer dort akreditiert. 

Bildquelle Titelbild: Jens Vogler, Vision Blue Energy

Massenhaft Sicherheitskräfte, massenhaft Fernsehstationen und Presse. Das Foyer vollgestopft mit Übertragungstechnik, Interviews, Maske und Fotosessions. Lachende Gesichter, wohin man schaut.

Ich fand mich schon etwas früher ein und habe mir Gelegenheiten verschafft, mal etwas neugierig zu sein. 4 Reihen Sitzplätze und Tische für die Prozeßvertreter und Bevollmächtigten reserviert.  2 Reihen für die Prozeßbeteiligten, eine Reihe wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts und die letzte Reihe ganz hinten Zuschauer. ganze 16 an der Zahl. Im Verhandlungsraum wird noch in die neugierigen Kameras künstlich hineingelächhelt, was hier und da schon recht albern für den Zuschauer herüber kam. Eitelkeiten und gekünstelte Wichtigkeit wohin man schaut.

Vor mir adrett gekleidete wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts, welche ich spontan und Nichtahnung spielend darüber befragte, ob sie mir Auskunft darüber erteilen können, wieviele Klagen gegen ESM und Fiskalpakt insgesamt anhängig sind. 3 schauten mich mit großen Augen an und einer bedeutete mir aber nach der Frage, „…wozu ich das denn wissen will“ und der Antwort, „…daß es mich halt einfach interessiert…“, daß er es mir nicht mal sagen könne, wenn er davon Kenntnis hat. Eine glatte Lüge denke ich und lasse ab. Sie gucken sich an, schütteln verständnislos mit dem Kopf. –  Undurchsichtigkeit bis in den Gerichtssaal hinein.

Am Rand überall verteilt Sicherheitspersonal des Bundesverfassungsgerichts.

Direkt vor mir 2 Reihen weiter trudeln so langsam die Protagonisten der von uns viel gescholtenen Demokratieverhinderungsklage ein. Dr. Michael Efler, Bundessprecher von Mehr Demokratie e.V. (wird noch von Kameras bestürmt und ist sichtlich peinlich berührt und lächelt bißchen verlegen weg. Roman Huber, Claudine Nierth (alle 3 Bundesvorstand des klagenden Vereins). Nun, Blickkontakt sucht keiner von ihnen, sie weichen alle meinen Blicken aus. Frankenberger, der Chef der ÖDP ebenfalls da, auch er schaut betreten weg. Ich wollte sie sehen, wenn man das Urteil verkünden wird.

Man schwurpelt sich was in der vordersten Reihe mit den roten Roben zurecht. Nach einer Minute spätestens ist klar, daß die Eilanträge abgelehnt worden sind. Es folgt orwellscher Neusprech, wie man das Grundgesetz schützt und nicht dafür zuständig ist, daß man es abändern soll, daß man gar nicht einschätzen kann, wie und ob der ESM nun Grundgesetz beschädigen kann, daß der Gouverneursrat (also der deutsche Vertreter) nun nicht mehr hinter vorgehaltener Hand herummauscheln darf, daß der von uns geschickte Gouverneur dem Parlament berichten muß, was sicherlich das Gesamtansinnen des Gouverneursrates in keinster Weise beeinträchtigen, und den Gouverneursräten der anderen EU-Staaten mit Sicherheit am A… vorbei gehen wird. Angeblich soll der Vertrag auch kündbar sein, lt. „Gewohnheitsrecht bei Völkerrechtlichen Verträgen. Wissen sie es nicht besser oder wirft man hier eine Nebelkerze ins Publikum hinein?

Kann man damit Schaden von unserem Volk abwenden? Ich denke wohl eher nein!

Der ESM dürfe erst ratifiziert werden, wenn die EZB Rolle beim Aufkauf von Schrottanleihen geprüft worden ist und sichergestellt, daß man einen unbegrenzten Ankauf, wie ja von Draghi (ehemaliger Goldman Sachs Mitarbeiter in der EZB) kürzlich vollmundig verkündet auch nicht nachträglich noch einzubauen ist.

Ganz kraß wurde man in Zerrissenheit versetzt, als der befangene Bundesverfassungsrichter Prof. Peter Michael Huber, Berichterstatter des 2. Senats die Grundgesetzmäßigkeit des Artikel 136.3 AEUV sinngemäß als grundgesetzkonfirm eingestuft hat. Er vermied dabei auf den 2. Teil des 136.3 AEUV einzugehen, welcher die unbillige Härte des IWF über kurz oder lang über uns bringen wird.

Der Raum war nicht sehr groß und so gab es nicht viele Augenzeugen, welchen dieses Drama an Ermächtigungsgesetzdurchwinkung vergönnt gewesen ist. Entsprechend gab es lange Gesichter in den Reihen der Klägerschaft, am meisten jedoch war Mehr Demokratie e.V. mit ihren 37.500 Vollmachten zur Mitklägerschaft irre Geleiteter angenervt. Warum überhaupt? Hatte doch Däubler Gmelin ihre Beteiligung des Parlaments doch durchgebracht.  Haben sie sich etwa darüber geärgert, daß man nun nicht so leicht das Grundgesetz im Rang abstürzen, oder gar neu gestalten kann, was einem Rangabsturz gleichgekommen wäre und unseren Schutzes vollends berauben würde? … Von den Hofberichterstattern als die größte Massenbeschwerde betitelt und von Prof. Dr. Zuck in einem Artikel der Legal Times online wieder auf den Boden der Tatsachen zurück gebracht

Mit der Entscheidung wurden also nicht alle Grundrechte beschädigt, was eigentlich benötigt wird, daß man ESM und Fiskalpakt und vor allem den 136.3 AEUV scharf machen kann.Was wir also damit bekommen ist momentan eine Weichspülversion der IWF Maßnahmen, also da muß noch mehr kommen, wenn man wie in Griechenland und Somalia die Bevölkerungen Europas und unseres Landes ausplündern will.

Ich nutzte am Rande, nach der Verhandlung und als der Rummel dann abgeklungen war die Gelegenheit Herrn Prof. Schachtschneider kurz 2 Fragen zu stellen. Da ich in der Eile seiner Abreise vergaß ihn zu befragen, ob ich seine Antworten zitieren darf, hier nur als Stimmungsbild. Er nahm sich willig noch die Zeit antworten zu wollen.  Ich fragte ihn, ob er glücklich mit dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts wäre und er sah und antwortete meiner Meinung nach ehrlich und wirklich erschüttert über diesen Beschluß. Befragt, wie er mit der Behandlung des 136.3 AEUV des Bundesverfassungsgerichts zu frieden ist die Darstellung, daß das wohl das größte Problem des Vertrages überhaupt wäre und er sah wirklich dabei nicht glücklich aus. Seine Klägergruppe, deren Prozeßbevollmächtigter er war, verließen den Gerichtssaal ebenfalls mit steinernem Gesicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich m. E. mit seinem Beschluß selbst bloßgestellt. Man spricht viel davon, daß es einen Kompromiß gefunden hat, aber dieser Kompromiß entartet bei näherer Betrachtung zu einem Kuckucksei mit Parallelen zum ehemaligen Ermächtigungsgesetz nach dem Reichstagsbrand.. Damals waren Gesetzgebungen des Parlaments der Verfassung unterstellt, die der Regierung per Ermächtigungsgesetz eben nicht,  so die Aussage der Klägerin Hassel-Reusing dazu, deren 28 Eilanträge man an diesem Tage nicht behandelt hat. Man scheint also erneut diesen alt bewährten Weg zu gehen. – Bleibt also ernsthaft die Frage stehen, ist den Bundesverfassungsrichtern denn die Konsequenz ihres Handelns nicht bewußt? Sarah Luzia Hassel Reusing, welche ja mit ihrem Mann als Journalistin des „unser Politikblog“ akreditiert waren erklärte dazu auf Nachfrage, daß sie alle Richter in einer ganz offiziellen Benachrichtigung an alle Bundesverfassungsrichter des 2. Senats die Folgen dieser Variante aufgezeigt hat. Damit wird man sich nicht mehr in der Zukunft herausreden können, ob man darüber nicht im Bilde war.

Im Allgemeinen kann resümiert werden, daß man nicht einmal einschätzen kann, wie die Abstimmung unter den acht Verfassungsrichtern ausgegangen ist, weil ein Abstimmungsergebnis nicht bekannt gegeben worden ist. Man sah auch in der Richterschaft, daß es keine einstimmige Entscheidung gewesen sein kann. Richterinnen Lübbe-Wolff und Dr. Kessal-Wulf (beide vorbereitende Richter in der 3.Kammer des Bundesverfassungsgerichts, zusammen mit dem befangenen Richter Prof. Dr. Peter Michael Huber) sahen immerhin nicht sehr glücklich aus. Prof. Peter Michael Huber selbst trug recht ungerührt das Ergebnis der Beschlußfassung zu den Eilanträgen vor. Sicherlich muß man als Bundesverfassungsrichter so abgebrüht sein, daß einem sowas nicht anzumerken ist.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, ehe die Tragweite der Entscheidung in letzter Konsequenz nicht nur zu durchschauen, sondern für die Bevölkerung denn auch zu fühlen ist. Spätestens dann wird das wohl ganz böse Erwachen kommen, wenn man nach der Maßgabe eines IWF, wie das in den Krisenstaaten bereits heute bis in die Vermögen und Sozialstrukturen der einfachen Bevölkerung passiert durchgegriffen wird. Man wird wieder viele Tote auf den Straßen sehen, wenn hier in den noch folgenden Hauptverhandlungen nicht noch tiefschürfende Abmilderung der möglichen Konsequenzen geschaffen wird. Wir rufen nach wie vor dazu auf, daß man die Klage Hassel-Reuising unterstützen hilft, weil genau dieser Artikel 136.3 AEUV ein Kernthema der Menschenrechtlerin Hassel-Reusing ist. In den anderen Klagen wird dieser Punkt der „kleinen Vertragsänderung“ leider nicht Hauptthema oder ganz und gar vernachlässigt sein. Die Klage von ihr liegt im Moment fest, ist aber lt. Aussage des Bundesverfassungsgerichts nicht abgewehrt. Sie wird ebenfalls durch Urteil beschieden werden. Die Frage ist, wann das geschehen wird, ob das in einer mündlichen Verhandlung passieren wird und ob man dann nicht bereits vollendete Tatsachen geschaffen hat.

Ein Volk in Angst vor dem Tun seiner eigenen „Gewaltenteilung“, ist das nicht schon Orwell genug?

Es ist mir als Zuschauer dieses Spektakels ein Rätsel, wie man mit gutem Gewissen den 136.3 AEUV so durchwinken kann. Es zeugt m. E. von einem gewissen Maß an Gewissenlosigkeit. Das vom höchsten deutschem Gericht, dem „Verfassungsorgan“, welches seine Verpflichtung, das Grundgesetz und unsere Grundrechte schützen zu sollen, wohl damit in die Tonne drückt. Absolut kein Ruhmesblatt für unsere Geschichte und es wird ein großes Nachspiel haben.

In den Kommentarlisten der Medien wird jetzt Klartext gesprochen. So ist z.B. gerade bei mm-news „der Teufel“ los, was ein guter Anzeiger dafür, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist. Überall in den Mainstreamonlinezeitungskommentaren das gleiche Bild, man drückt sehr sehr brüskiert den Frust über Regierung, Parlament, Bundesverfassungsgericht und diesen Beschiß an Volk, Demokratie und Grundrechten begleitenden Massenmedien aus.

Meiner Meinung nach hat es die Parteidiktatur geschafft, daß man die Gewaltenteilung spätestens am 12. September 2012 ad absurdum geführt hat und das auch recht klar für uns zu Tage getreten ist.

Gestern nun, nur einen Tag nach dem Klagebeschluß des BVfG hat Bundespräsident Gauck den ESM unterzeichnet, was für Leute mit Sinn für’s Thema auch gar nicht anders zu erwarten war. Damit hat er sich für viele Deutsche dann wohl wirklich zum „Grüßaugust“ gemacht. Er hat es in der Hand gehabt, daß man diesen fast vollzogenen Putschversuch einer Monsterbank noch vereiteln kann. Gauck hat damit das Volk unseres Landes vorgeführt. Hat er Angst gehabt, oder hat die „Atlantikbrücke“ Druck gemacht?

Die Transparenz des Gouverneurs gegenüber dem Parlament ist eine Farce, weil sie nur die Transparenz und Offenlegungsverpflichtung des deutschen Vertreters betrifft (bei uns wird das Schäuble sein). Wie dieser in der Vergangenheit mit Offenheit der Parteispenden umgegangen ist, sieht man ja hier. Der Gouverneursrat arbeitet in seiner Mehrzahl weiterhin intransparent und wird unabwählbar sein. Das wird sich in seiner Konsequenz auch auf unser Land auswirken und damit ist m.M. nach der Schaden an der Rechtsordnung da. Auch das erkennt das Gericht in seiner mündlichen Urteilsbegründung nicht.

 

Alles in allem ein anstrengender, aber für mich erleuchtender Tag, der wohl noch lange brauchen wird, bis man das alles verdaut haben wird. In einer ruhigen Minute ziehe ich mir die Beschlußbegründung dann rein, wozu ich selbst leider noch nicht gekommen bin.

Medien am Rande…

Hier schon mal erste gute Stellungnahmen einiger Netzwerker von uns und deren Bekannten in einem Filmschnitt Jens Blecker’s (von IK-News) dazu. Sehr klare Worte von Peter Boehringer, Günther Lachmann, Daniel Neun, Kilez Moore…

Herr Boehringer hat einen kleinen Fehler drinnen, er spricht von /Goldman Sachs-) Asmussen als Gouverneur, es wird aber Schäuble sein.

Peter Boerimger erklärt in dem Video z.B, wie man die Summe 189Mrd. Euro Haftungssumme in den Billionenbereich ausdehen wird. Auch nicht gewußt liebe Verfassungsrichter? – Wer’s glaubt liebe Bundesverfassungsrichter, zieht sich die Schuhe mit der Zange an…

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